In den Medien liest man es immer wieder. Das Elektroauto soll in der Instandhaltung teurer sein als ein vergleichbarer Verbrenner. Erst kürzlich las ich einen Bericht im „Standard“, der genau das suggerierte und behauptete, dass besonders Reparaturkosten bei Elektrofahrzeugen wesentlich höher ausfallen. Aber ist das wirklich so? Ich beleuchte das
Thema im heutigen Blogeintrag und zeige euch, was stimmt und was nicht.
Medienberichte: (Klick-)Quantität vor (Journalismus-)Qualität?!
Generell sollte man immer kritisch hinterfragen, wer da gerade berichtet und welche Hintergründe und Agenden hinter der Berichterstattung stehen können. Leo Tiedt hat in unserem YouTube-Video klargestellt: „Als ich mir die Studie und den Bericht dazu angesehen habe, stellte ich relativ schnell fest, dass hier doch sehr viel nicht so richtig zusammenpasst.“ Der erste Grund, warum die Faktenlage aus der Studie nicht auf den europäischen Markt übertragbar sind, ist, dass die Studie auf Ergebnisse zurückgreift, die für den nordamerikanischen Markt gelten. Einem Markt, in dem ganz andere Qualitätsstandards und Bedingungen herrschen.
Besonders oft fällt auf, dass solche Berichte in Europa darauf abzielen, in kürzester Zeit ein Maximum an Klicks, Aufsehen und Interaktionen zu generieren. Leider oft zu Lasten fundierter Recherche und stichfester Informationen. Chris von CarManiac fasst es treffend zusammen: „Mit Verriss kannst du natürlich immer mehr Reichweite machen.“
Diese Haltung der Medien ist der Aufklärung selbstverständlich nicht gerade zuträglich.
Unterschiede bei den Standards und die Relevanz der Erfahrung
Ein weiteres Problem, das Chris anspricht, ist darin begründet, dass viele Redakteure, die derart fragwürdige Artikel verfassen, selbst oft nur wenig bis gar keine Erfahrungen mit Elektroautos besitzen: „Deswegen schreibe ich z. B. oder berichte nicht über Themen, die mit globaler Erwärmung zu tun haben, weil ich selbst einfach nicht tief genug in der Materie drinstecke.“ Die Medien schröpfen also massig Artikel zusammen, ohne wirklich fundiertes Hintergrundwissen zu besitzen. Einem ernsthaft fundierten Vergleich der Instandhaltungskosten können solche Texte nicht standhalten.
Sind die vermeintlichen Reparaturkosten nur ein Mythos?
Martin Haudenschild von der Schweizer E-Autowerkstatt ist eine weitere zentrale Erfahrungsinstanz in unserer Diskussion. Martin macht uns klar, dass die totalen Kosten der Fahrzeughaltung, in der Fachwelt als TCO (total costs of ownership) genannt werden, oft falsch verstanden und fehlinterpretiert werden. So weiß er, dass „die Preise für chinesische Batteriezellen in den letzten 12 Monaten um 51 % gefallen“ sind. Dadurch wird die Anschaffung eines batterieelektrischen Autos erheblich günstiger macht.
Aber nicht nur in der Anschaffung, auch im Betrieb hat das Elektrofahrzeug die Nase vorn. Laut Martin fallen viele Komponenten, wie Motorenöl, Zündkerzen und Luftfilter weg. Diese Bauteile müssen für den zuverlässigen Betrieb des Fahrzeugs mit Verbrennungsmotor regelmäßig ersetzt werden. Diese Bauteile sind bei einem BEV von vornherein nicht
notwendig. Aber auch der allgemeine Verschleiß der Motor- und Getriebebauteile, wie Kolben, Pleuel, Ventile, Zahnriemen bzw. Steuerkennten und Zahnräder fällt beim Elektroauto gänzlich weg. Schauen wir uns mal einen Serviceplan für einen Kompaktwagen mit Verbrennungsmotor an. Ich markiere die Arbeiten, die bei einem Elektroauto nicht anfallen, mit einem Sternchen (*).
- Ölwechsel (*) (ca. 150,- € / 30.000 km)
- Innenraumluftfilter ersetzen (ca. 30,- € / 30.000 km)
- Zündkerzenwechsel (*) (ca. 150,- € / 60.000 km)
- Bremsflüssigkeitswechsel (ca. 150,- € / 90.000 km)
- Bei Fahrzeugen mit Automatikgetriebe: Getriebeflüssigkeitswechsel (*) (ca. 200,- € /
90.000 km) - Luft- und Kraftstofffilter ersetzen (*) (ca. 100,- € / 90.000 km)
- Bremsscheiben und Beläge ersetzen (ca. 300,- € / 90.000 km) (*)
Die oben genannten Arbeiten werden bei einem Kompaktfahrzeug innerhalb der ersten 90.000 km fällig. Du siehst bereits, dass beim Elektroauto 4 von 6 Aufgaben bereits obsolet sind. Je nach Fahrweise können unter Umständen auch die Bremsscheiben und Beläge innerhalb der ersten 90.000 km beim Fahrzeug mit Verbrennungsmotor verschlissen sein
kann. Die Kosten für die Wartung eines Verbrenners belaufen sich in den ersten 90.000 km somit rechnerisch auf fast 1.500,- €, wohingegen die Wartung des Elektroautos lediglich mit 240,- € für die ersten 90.000 km zu Buche schlägt. Der Wechsel der Bremsscheiben und – beläge wird durch Rekuperation in der Regel erst wesentlich später fällig. In einigen Fällen wiesen die Bremsbeläge selbst nach 180.000 km und mehr noch eine Restbelagstärke von 80 % auf. Ebenso minimal war auch der Verschleiß an den Bremsscheiben selbst.
Perspektive der Fachleute: Langfristige Einsparungen zu erwarten.
Silvia Jost ist die Sprecherin von den Electrified Women. Sie betont die langfristigen Vorteile und das notwendige Engagement hin zur Energiewende. „Die Zeit der ewigen Diskussion ist vorbei, wir müssen jetzt einfach machen.“
Ihr geht es darum, dass jeder Einzelne von uns durch kleine Schritte und gezielte Maßnahmen wie den Kauf eines Elektroautos oder den Einsatz erneuerbarer Energien zur Verbesserung und schnelleren Erreichung der Mobilitätswende beitragen kann. Oft werden die langfristigen Einsparpotentiale übersehen. „Wenn wir vom Model 3 oder Y sprechen, die eine Laufleistung von einer Million Kilometer erreichen können, dann sind das zwei, drei oder sogar vier Verbrennerleben“, erklärt Martin. Das zeigt doch deutlich, wie langlebig und kostengünstig Elektroautos auf lange Sicht sein können. Denn beim Verbrenner kommen die richtig teuren Reparaturen, wie Motor- oder Getriebeschaden erst nach hoher Laufleistung im späten Verlauf des Autolebens. Oftmals bildet die Reparatur hier in einigen Fällen eigentlich schon einen wirtschaftlichen Totalschaden ab.
Was sagt die Community?
Einer der entscheidendsten Aspekte ist die Meinung und Erfahrung derjenigen, die tagtäglich aus erster Hand wissen, wie das Elektroauto funktioniert: Die Community. Unser Video hat deutlich gezeigt, dass es bereits jetzt zahlreiche Experten und Enthusiasten gibt, die sich tagein und tagaus mit der Materie beschäftigen und mit ihrer persönlichen
Erfahrung andere Sichtweisen als die der Berichterstattung bieten und diese widerlegen können. All diese Fans und Experten sind sich einig, dass das Elektroauto nicht nur ökonomisch, sondern auch ökologisch die bessere Alternative darstellt. Letzten Endes zeigt sich, dass es essenziell ist, sich aus validen, authentischen und vor allem unabhängigen Quellen zu informieren. Vertraut man auf bloße Schlagzeilen, zieht die positivere und umfassendere Realität unerkannt an einem vorbei. Nur durch tiefere Einblicke, das Hinterfragen von Informationen und regelmäßigen Austausch kann man sich ein allumfassendes Bild machen und fundierte Entscheidungen treffen. Die Diskussion geht sicherlich weiter. Bleibt gespannt. In unserem nächsten Beitrag werden wir noch tiefer in das Thema vorstoßen und weitere Stimmen aus der Fachcommunity zu Wort kommen lassen. Lasst uns gemeinsam jeden Tag einen weiteren Schritt in Richtung aufgeklärter, aufgeschlossener und nachhaltiger Zukunft gehen. Ich bedanke mich für deine Aufmerksamkeit und Unterstützung.
Herzlichst,
Dein Michael.